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ME/CFS und Long Covid verstehen – reale Veränderungen, nervale Dysregulation und neue Wege 

ME/CFS und Long Covid – komplex, real und herausfordernd 

Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und Long Covid gehören zu den komplexesten chronischen Erkrankungen unserer Zeit. Betroffene erleben massive Erschöpfung, Schmerzen, kognitive Einschränkungen („Brain Fog“), Kreislaufprobleme und eine ausgeprägte Belastungsintoleranz. 

Die Forschung zeigt: Es gibt messbare somatische Veränderungen und trotzdem greifen rein körperorientierte Therapien zu kurz. Entscheidend ist zu verstehen, dass Körper und Nervensystem untrennbar zusammenwirken. 

 

Messbare Veränderungen bei ME/CFS und Long Covid 

In den letzten Jahren konnten bei ME/CFS und Long Covid verschiedene biologische Auffälligkeiten beschrieben werden, wenn auch nicht bei allen und nicht immer konsistent: 

  • Mitochondriale Dysfunktion: Störungen in der Energieproduktion. 
  • Endotheliale und kapilläre Veränderungen: Einschränkungen in der Mikrozirkulation und reduzierte Sauerstoffversorgung. 
  • Neuroinflammation: Bildgebende Verfahren zeigen entzündliche Veränderungen im Gehirn. 
  • Autoantikörper: Hinweise auf eine Autoimmun-Komponente, z. B. gegen GPCR-Rezeptoren. 
  • POTS (Posturales Tachykardiesyndrom): Häufige Begleitdiagnose mit Schwindel, Herzrasen und Kreislaufproblemen als Ausdruck einer autonomen Dysregulation. 

 

Diese Befunde sind real und ernst zu nehmen. Doch insgesamt sind viele Erkenntnisse noch nicht konsistent und die therapeutische Konsequenz bleibt unklar.  So vermuteten Studien initial einen Zusammenhang mit persistierenden Spike-Proteinen nach COVID-19. Inzwischen zeigt die Forschung jedoch: Ein Nachweis von Spike im Serum bedeutet nicht zwingend eine schwerere Symptomatik. Neuere Arbeiten finden keinen klaren Zusammenhang mit dem Krankheitsverlauf (Fehrer et al., 2025). 

Bei vielen dieser messbaren körperlichen Veränderungen spielt das zentrale Nervensystem eine entscheidende Rolle. Immunsystem, Hormone, Verdauung, Herzschlag und Kreislauf werden genauso durch das Nervensystem beeinflusst wie Schwindel, Schmerz und Erschöpfung.  

 

Warum rein körperzentrierte Ansätze nicht funktionieren 

ME/CFS ist nicht „eingebildet“. Es gibt valide, körperlich messbare Veränderungen. Trotzdem zeigt die Erfahrung: Medikamente oder Behandlungen, die nur an einzelnen Befunden ansetzen, reichen oft nicht. 

Ähnlich kennen wir es vom Complex Regional Pain Syndrome (CRPS). Dort sieht man die körperlichen Veränderungen sogar mit bloßem Auge. Und doch wissen wir heute: Nicht das Gewebe ist die Ursache, sondern die Fehlsteuerung des autonomen Nervensystems. Noziplastische Mechanismen, zentrale Sensitivierung, Emotionen, Prädiktionen und Konditionierungen spielen eine wesentliche Rolle. 

Für ME/CFS und Long Covid gilt:  

Das autonome Nervensystem steuert Immunsystem, Gefäße, Herzschlag, Verdauung und Hormone. 

  • Eine Fehlsteuerung kann Autoantikörper-Aktivität, Kreislaufstörungen (wie POTS) und Fatigue verstärken. 
  • Schonung, Angst und Stress wirken als Verstärker und halten Symptome aufrecht. 
  • Kopf und Körper arbeiten nie getrennt und eine wirksame Therapie muss beides einbeziehen. 

 

Das biopsychosoziale Modell: das Nervensystem darf mitspielen 

Das Oslo Chronic Fatigue Consortium beschreibt ME/CFS als Zusammenspiel mehrerer Ebenen: 

  • Biologisch: Es gibt nachweisbare Veränderungen z. B. bei der Energieproduktion in den Mitochondrien, in der Durchblutung kleinster Gefäße oder durch Autoantikörper.  
  • Neurobiologisch: Gleichzeitig ist im Gehirn das „Bedrohungsnetzwerk“ überaktiv. Das Nervensystem schlägt häufiger Alarm – ähnlich wie ein Rauchmelder, der immer wieder losgeht, auch wenn es gar nicht brennt. 
  • Psychophysiologisch: Mit der Zeit lernt das Nervensystem: „Belastung = Gefahr“. Schon kleine Anstrengungen oder sogar die Erwartung einer Belastung können dann Symptome wie Erschöpfung, Schwindel oder Schmerzen auslösen. 

 

So entsteht ein Teufelskreis: Körperliche Veränderungen machen das System anfälliger, die dauerhafte Alarmbereitschaft im Nervensystem verstärkt die Symptome, und erlernte Fehlverknüpfungen halten sie aufrecht (Angst-Symptom-Zyklus).  

Zusätzlich kann dieser Teufelskreis aus Angst und Symptomen – ähnlich wie beim chronischen Schmerz – durch Kommunikation von außen verstärkt werden. Aussagen wie „unheilbar“, „da kann man nichts machen“, „das ist chronisch, das bleibt so“ oder „damit müssen Sie leben“ vermitteln Hoffnungslosigkeit und blockieren die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Noch schwieriger wird es, wenn Symptome bagatellisiert werden („Ihre Werte sind unauffällig, also ist da nichts“) oder als psychosomatisch im Sinne von „eingebildet“ abgetan werden. 

Solche Botschaften prägen sich tief ein, verstärken Angst und Hilflosigkeit und lassen das Nervensystem noch empfindlicher reagieren. Hoffnung und Vertrauen gehen verloren – zwei Faktoren, die jedoch entscheidend dafür sind, dass Veränderung möglich wird. Denn genau sie sind die Voraussetzung, damit die Neuroplastizität des Gehirns angeregt und für Heilungsprozesse genutzt werden kann. 

 

Hoffnung durch Neuroplastizität und Genesungsberichte 

Die gute Nachricht: Das Nervensystem kann umlernen. Neuroplastizität bedeutet, dass alte Bahnen sich verändern und neue, gesunde Muster entstehen können. 

Studien und Genesungsberichte zeigen, dass viele Betroffene Verbesserungen erreichen, wenn sie Symptome neu verstehen, Angst abbauen und immer wieder behutsam neue Erfahrungen machen. Methoden wie Somatic Tracking, Graded Exposure oder Emotionsarbeit können hier den Unterschied machen. 

 

Warum HELP eine digitale Unterstützung bei ME/CFS und Long Covid sein kann 

HELP wurde ursprünglich für noziplastische Schmerzen entwickelt – doch genau diese Mechanismen spielen auch bei ME/CFS und Long Covid eine zentrale Rolle. 

Was HELP bietet: 

  • Edukation: Symptome neu verstehen, ohne Angst. 
  • Somatic Tracking: Körperempfindungen wahrnehmen, ohne sie als Gefahr zu deuten. 
  • Graded Exposure: Schrittweise Aktivität, angepasst an die individuelle Belastbarkeit (oft beginnend nur mit Visualisierungen). 
  • Reattribution: Symptome nicht als „defekte Körperfunktion“, sondern als Signale eines veränderbaren Nervensystems verstehen.  

 

Viele Menschen mit ME/CFS haben HELP bereits genutzt. Das Feedback ist sehr ermutigend: 

  • Es funktioniert, das Wort „Schmerz“ innerlich durch „Symptom“ oder „Erschöpfung“ zu ersetzen. 
  • Gerade bei Fatigue hilft die Struktur: kleine, leicht verdauliche Einheiten, die Energie sparen. 
  • Statt mühsamer Eigenrecherche ist alles an einem Ort gebündelt und in sinnvoller Reihenfolge aufgebaut. Es gibt ein Geländer, an dem im eigenen Tempo entlanggegangen werden kann und auf das man sich verlassen kann. 
  • Es ist optimal, eine empathische Begleitung und Anleitung zu haben, die sich den eigenen Kapazitäten anpasst. HELP kann zeit- und ortunabhängig verwendet werden, in kleinen „Häppchen“ und im eigenen Tempo, so dass keine Überforderung stattfindet.  

 

So wird HELP zu einer Brücke: Die biologischen Befunde werden ernst genommen, ohne in rein somatischen Sackgassen zu landen und gleichzeitig werden konkrete Wege aufgezeigt, das Nervensystem zu beruhigen. 

 

Fazit: ME/CFS ist real – und Veränderung ist möglich 

ME/CFS ist eine ernste Erkrankung mit messbaren körperlichen Veränderungen. Es gibt valide Befunde wie Autoantikörper, POTS oder Mitochondrienveränderungen. Gleichzeitig spielt das Nervensystem eine Schlüsselrolle. Es kann Symptome verstärken, aufrechterhalten oder beruhigen. Entscheidend ist: Körper und Nervensystem arbeiten zusammen. 

HELP greift genau diesen Ansatz auf und unterstützt Betroffene dabei, Symptome neu einzuordnen, das Nervensystem zu beruhigen und Wege aus dem Teufelskreis von Fatigue und Schonung zu finden. Mit Wissen, Übungen und neuen Erfahrungen, die Sicherheit geben und Selbstwirksamkeit stärken. 

 
Mit HELP kannst Du Schritt für Schritt erleben, wie sich Symptome neu einordnen lassen – wissenschaftlich fundiert, alltagsnah und empathisch begleitet.  

Dr. Antje Kallweit

Gründerin und CEO von HELP, Fachärztin für Anästhesiologie, Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie

 


Literatur

  • Oslo Chronic Fatigue Consortium. Chronic fatigue syndromes: real illnesses that people can recover from. Scand J Prim Health Care. 2023;41(4):372–376. 
  • Müller T, et al. Myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom: eine Übersicht zur aktuellen Evidenz. Schmerz. 2023;37:457–470. 
  • Fehrer A, Sotzny F, Kim L, et al. Serum Spike Protein Persistence Post COVID Is Not Associated with ME/CFS. J Clin Med. 2025;14(4):1086. doi:10.3390/jcm14041086. 
  • Kosek E, Clauw D, Nijs J, et al. Chronic nociplastic pain affecting the musculoskeletal system: clinical criteria and grading system. Pain. 2021;162(11):2629–2634. 

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